Heute wird in der polnischen Botschaft unser Freund, der langjährige Leiter der Vertretung des DAAD in Warschau und zuletzt Referatsleiter Ostmitteleuropa beim DAAD, Hans Golombek, die Ehrenmedaille „Bene Merito” des polnischen Außenministers Radosław Sikorski bekommen. Sie wird an polnische Staatsbürger und Ausländer für besondere Verdienste verliehen. Anlässlich der Auszeichnung ist mein Kollege Prof. Marek Zybura um die Laudatio und ich um die Übernahme eines Kurzreferates über die aktuellen Fragen der deutsch-polnischen Beziehungen gebeten worden. Diesen Wunsch sind wir gerne nachgegangen. Meinen Text finden Sie unten. Der Titel lautet: „Um ein neues Paradigma in den deutsch-polnischen Beziehungen”.
Vor einigen Jahren verwendete einer der bekannteren deutschen Karikaturisten Walter Hanel in seiner Zeichnung eine Brücke, um den heutigen Stand der deutsch-polnischen Beziehungen an der Wende des 20. Jahrhunderts darstellen zu können. Auf einer Seite stand der deutsche Michel und hielt ein Gebäude in seinen Händen, auf dem „Zentrum gegen Vertreibungen“ geschrieben war und auf der anderen Seite der Brücke stand ein Pole. Die Brücke unter den Füßen des auf die andere Seite zulaufenden und „Hallo, Partner!“ zurufenden Deutschen bekam gefährliche Risse. Man hatte damals das Gefühl, dass in den deutsch-polnischen Beziehungen eine schlechte Zeit eingeläutet wird. Zweifelsohne war die wiederkehrende Kontroverse bezüglich der Vergangenheit, insbesondere die aus dem 20. Jahrhundert, einer der Gründe dafür.
Viele Polen taten sich damit schwer, die Deutschen als Opfer des Zweiten Weltkriegs zu akzeptieren. Die Absicht, diese Sichtweise in Form einer Ausstellung im Museum zeigen zu wollen hat nicht nur Zweifel geweckt, sondern auch Empörung und Vorwürfe, die Vergangenheit relativieren zu wollen. Es stimmt, dass wir nach 1989 verschiedene schwierige geschichtliche Themen zu verarbeiten hatten, die man zu Zeiten des Kommunismus verschwieg bzw. unvollständig oder verdreht darstellte.
Zu solchen Themen gehörte das Schicksal der deutschen Bevölkerung in den letzten Kriegsmonaten und in den ersten Jahren nach dem Kriegsende. Gegen Ende der 1980er Jahre gab Andrzej Ziemilski, ein ehemaliger Soldat der polnischen Heimatarmee und nach 1945 ein Beamter, der aktiv an der Aussiedlungsaktion der Deutschen teilnahm, zu, dass die Grundfrage nicht lauten sollte, ob man die Deutschen hätte aussiedeln sollen, sondern auf welche Weise man es tat. Hier kann die polnische Schuld verankert sein und die Verantwortung für das Leid der Menschen deutscher Herkunft.
Für ihn sowie für viele anderen Polen führten die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg, die Millionen getöteten Menschen, die massiven materiellen Schäden wie auch die Verschiebung der Grenze und der Verlust der früheren polnischen Gebiete sowie das Unterordnen unter die sowjetische Vorherrschaft dazu, dass das Schicksal der ehemaligen Erzfeinde keine Aufmerksamkeit oder eine moralische Reflexion erweckte. Jahrzehnte lang vermied man die Frage nach der Art und Weise der Aussiedlung, ob sie human und organisiert verlief, wie es das Potsdamer Abkommen vorschrieb. Was bedeutete die Vertreibung für den gewöhnlichen Deutschen, der sein Haus, sein Vermögen, seinen Halt und seine Sicherheit verlor?
Erst Anfang der 1990er Jahre begannen wir nach Antworten auf diese Fragen zu suchen. Man muss sich eingestehen, dass es keine leichte Kost war. Auch die Gesten seitens der Politiker waren von Bedeutung, wie z.B. die Rede von Wladysław Bartoszewski zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges vor dem deutschen Bundestag. Damals wurden wichtige Worte ausgesprochen, auch in Bezug auf die vertriebenen Deutschen.
Kann man in einer politischen und diplomatischen Sprache mehr ausdrücken als das? An der Debatte um das Schicksal der Nachkriegsdeutschen in Polen nahmen viele Historiker teil. Es entstanden auch schnell gemeinsame deutsch-polnische Projekte. In vielen polnischen Häusern im Nordwesten des Landes diskutierte man über die Vertreibung der Deutschen. Ebenso zügig entwickelte sich das Interesse für die Vergangenheit dieser Region in der sogenannten „deutschen Periode“, wie man umgangssprachlich und unpräzise die Geschehnisse vor 1945 zu nennen vermochte. Entwicklung der lokalen Identität und endgültige Verwurzelung in den sog. „kleinen Heimaten“ (Regionen) war die Folge.
Sollte man einige Fehler oder Versäumnisse aufzeigen, dann würde man vielleicht auf die gänzliche Einstellung weiterer Forschungen zur Geschichte des Dritten Reiches und der Besatzungspolitik in Polen zu Kriegszeiten hindeuten. Natürlich erforschte man diese die ganzen Nachkriegsjahre über und zwar sehr intensiv. Man könnte sogar den (falschen) Eindruck gewinnen als gäbe es keine durch polnische Historiker unerforschte Facette der Besatzungspolitik mehr. Nach all der Zeit jedoch erscheint die Einstellung der Forschung seit den 1990er Jahren als folgenschwer.
Im Übrigen nicht nur für die Historiographie, sondern viel mehr für die Vermittlung der Geschichte, das historische Bewußtsein und laut den Befürwortern der aktiven Geschichtspolitik auch für das Kollektivbewusstsein. Die Beschäftigung mit dem Schicksal der vertriebenen Deutschen wie auch die Kritik an der polnischen Nachkriegspolitik gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe und die Annäherungsversuche durch das Verurteilen der kommunistischen Regierung Polens sollte als Voraussetzung für die Versöhnung der Völker die Auseinandersetzung mit dem Völkermord, dem Anblick der Skelette in Auschwitz und anderen Todeslagern sowie dem Anblick Warschaus in Trümmern komplementieren.
Ich möchte hier die Geduld der Zuhörer nicht auf die harte Probe stellen und den Anschein erwecken als würde ich über diese Haltung urteilen. Ich habe sie selbst aktiv entwickelt und bin der Meinung, dass es nicht nur auf der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen, sondern auch auf der moralischen Ebene notwendig war. Ich möchte nur betonen, dass das gleichzeitige Schweigen über die Problematik der deutschen Besatzung in Polen, das Fehlen der Erinnerung an jene polnische Erfahrung, war eine der Ursachen für die späteren Schwierigkeiten im deutsch-polnischen Dialog.
Nur einmal kam dieses Problem öffentlich zum Vorschein: als die Bundesrepublik die Auszahlungen an die ehemaligen Zwangsarbeiter im Dritten Reich durchführte. Jedoch die Verbindung mit der finanziellen Angelegenheit war kontraproduktiv. Die politische und emotionale Bedeutung dieser späten deutschen Entschädigungsleistung ging in Polen unter.
Es stellte sich heraus, dass all das Streben in den 1990er Jahren nach Aufdeckung und Anerkennung der Wahrheit über das Leid, das die Polen den Deutschen zugefügt hatten, teilweise missglückt war. Für uns sollte dies das Ende eines belastenden Kapitels der Geschichte bedeuten. In vielerlei Hinsicht geschah das auch. Nichtsdestotrotz ebnete es den Weg zu neuen Erwartungshaltungen, sogar Ansprüchen, die politische Vertreter der Vertriebenen stellten. Die bereits erwähnte Hanel-Karikatur machte es überaus deutlich.
Damals schon erschien auch ein anderes Problem auf der Oberfläche: immer häufiger wurden wir mit der deutschen Geschichtspolitik konfrontiert. Bei dem Nachbarn änderten sich die Paradigmen, die in der alten Bundesrepublik noch galten, doch in dem vereinten Deutschland verloren sie nach und nach an Wichtigkeit. Schnell wurde die Geschichte instrumentalisiert und diente dem Zwecke des neuen, vereinten, demokratischen Deutschlands, das stolz auf die Entnazifizierung ist und sich das Recht einräumt, auch an die deutschen Opfer zu erinnern.
Die deutsch-polnischen Beziehungen während des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts erinnerten stets an eine Auktion, in der sich die Meistbietenden gegenseitig überbieten, wer im Recht ist, wer das meiste Leid getragen hatte. Es erinnerte stark an das Seilziehen, anhand von geschichtlichen Argumenten. Die Lage veränderte sich ein wenig nach Polens EU-Beitritt. Die deutsch-polnischen Beziehungen waren nicht mehr von höchster Priorität. Polen gewann mehr Spielraum in Europa. Haben wir das ausreichend nutzen können? Hat Westeuropa die Erfahrung, die uns die Geschichte gelehrt hat, auch erfahren? Oder ist die Geschichte weiterhin geteilt in die „alten“ und „neuen“ Teile des vereinten Europas?
Die zweite Hälfte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts zog große museale Projekte nach sich, die teilweise fertig sind. Sie entstanden als Reaktion auf öffentliche Debatten, damit sind auch die deutsch-polnischen Beziehungen gemeint. Man hätte den Eindruck gewinnen können, als würden beide Länder ausschließlich in ihre historischen Museen investieren, und die Parteien, die an der öffentlichen Debatte teilnahmen (falls diese überhaupt stattfand), spiegelten sich in den Ausstellungssälen wieder. Diese museale Rivalität ist noch nicht zu Ende. Wahrscheinlich wird sie noch andauern, je weniger Zeitzeugen leben, umso intensiver wird sie. In allen geschichtlichen Debatten haben sie bisher eine wesentliche Rolle gespielt.
Dieser Zustand zwischen dem kommunikativen Gedächtnis, das jeder von uns hat, und dem kulturellen Gedächtnis, das sich z.B. in Denkmälern, Straßennamen, Museumssälen und Nationalfeiertagen wiederfindet, wurde vor ein paar Jahren durch die Eheleute Aleida und Jan Assmann hervorragend auf den Punkt gebracht. Ihrer Meinung nach die Übergangsphase von der einen zu der anderen Gedächtnisart kann zwischen 20 und 30 Jahren dauern. Wenn man die heutige Beschleunigung der Geschichte berücksichtigt, bedeutet das eine bzw. fast zwei Generationen. Man sollte sich nicht wundern, dass die scheidenden Generationen (und zu solchen zähle ich die Betroffenen des Zweiten Weltkriegs) mit aller Macht ihr Erbe vermitteln wollen und ihr eigenes Schicksal auf angemessene Weise gewürdigt wissen wollen.
Wenn man das bedenkt, dann dürfte es niemanden wundern, dass das ZDF, einer der öffentlich-rechtlichen Sender, beschloss, die Erfahrungen der Großeltern ihren Enkeln gar Urenkeln in einem TV- Dreiteiler erzählen zu wollen. Wie sollen junge Leute sonst einen Bezug zum Zweiten Weltkrieg erlangen? Für sie ist es eine weitentfernte Geschichte, ein Thema aus dem Schulunterricht, so ähnlich wie es der Erste Weltkrieg für meine Generation war. Wie soll man die jungen und desinteressierten Menschen dennoch von der Wichtigkeit und dem Nutzen der Geschichte überzeugen? Wie soll man sie erzählen? Am besten und am einfachsten anhand des Schicksals gewöhnlicher Menschen, mit denen man sich identifizieren kann.
Die Autoren jenes schon berühmten, aber nicht nur positiv aufgenommenen Films, der zwar die deutsch-polnischen Beziehungen bruchstückhaft schildert, konzentrierten sich auf wenige Protagonisten. Sie wollten verschiedene Haltungen gegenüber dem Nationalsozialismus und die verheerenden Auswirkungen des Krieges zeigen. In ihrer Darstellung der Nachbarländer, darunter auch Polen, bedienten sie sich jedoch einfacher Stereotype anstatt die Gelegenheit zu nutzen, das Wissen über die deutsche Besatzung in Polen und die komplizierten deutsch-polnischen Beziehungen zu erweitern.
Der Film hatte einen enormen Erfolg. Über 7 Millionen Zuschauer sahen den Drei-Teiler. In Polen erzeugte er negative Reaktionen, womit die Filmemacher wahrscheinlich nicht gerechnet haben. Wieder einmal hat sich uns die Frage gestellt, inwiefern unsere Geschichte in Deutschland bekannt ist. Wir reagierten überrascht, skeptisch, enttäuscht und schließlich entsetzt. Vor ein paar Wochen gab Radoslaw Sikorski, der polnische Außenminister, der Zeitung „Die Zeit“ ein Interview. Der etwas provokative Titel lautete: „Wir wollen keine Wiederkehr des Kalten Kriegs“. Der Minister hat dort viele aktuelle Themen der Außenpolitik angesprochen. Er widmete den deutschen Angelegenheiten viel Platz, ebenso der aktuellen deutschen Geschichtspolitik. Er brachte seine Empörung über die fehlerhafte Darstellung Polens in der Serie „Unsere Mütter, unsere Väter“ zum Ausdruck. Nebenbei wies er auf eine große Diskrepanz hin, die es in Deutschland in Bezug auf die Darstellung des Zweiten Weltkriegs gibt.
Aber wundern wir uns über den Reinfall mit der Serie wirklich? Nach der Ausstrahlung des 3. Teils stellte sich die Frage, ob die negative Darstellung der Polen ein „Arbeitsunfall“ war oder eher die Folge von Unwissenheit, Vorurteilen und langjähriger Vernachlässigung in der deutschen Schulbildung und Publizistik? Wie soll man sonst den Artikel in der Bild-Zeitung nach der Ausstrahlung der Serie deuten. Dieser enthielt den Titel: „Waren deutsche Soldaten wirklich so grausam?“ Weiter schrieb die Bild:
Ich zitiere ausgerechnet diese Stelle, da sie das Fehlen von jeglichem Grundwissen und Verantwortungsgefühl deutlich macht.
Den stärksten Einfluss auf den heutigen Wissensstand eines deutschen Durchschnittsbürgers gar eines Gebildeten haben zweifellos die Medien, auch Internet. So wie auch überall sonst holen sich die Deutschen die Informationen aus dem Fernsehen, den Zeitungen bzw. der Schullektüre, die mehr oder weniger wissensfördernd sind. Auch die Familienerzählungen sind im kollektiven Bewusstsein tief verankert. Diese jedoch konzentrierten sich mehr auf die Vertreibungen und befestigten nur das subjektive Empfinden über das eigene Leid. Im Falle des Zweiten Weltkriegs haben wir es hier mit einem zusätzlichen Phänomen zu tun: dem Verdrängungsmechanismus. Dieses Problem hat Nico Hofmann, der Produzent von „Unsere Mütter, unsere Väter“ treffend zusammengefasst:
Die Generation meiner Eltern – mein Vater ist jetzt 88, meine Mutter ist 83 – hat mich ja geprägt. Und die ist wiederum durch Kriegserlebnisse geprägt. Die Auseinandersetzung über die eigene Identität, über die eigene Familie und auch über die eigene Herkunft: Das ist der rote Faden. Nach „Unsere Mütter, unsere Väter” hat mein Vater zum ersten Mal über sein direktes Kriegserlebnis, sein Todeserlebnis geredet, auch dass er selbst getötet hat.
Die Kontroverse rund um den Film hat noch ein anderes Problem ins rechte Licht gerückt: wenn es um die deutsch-polnischen Beziehungen geht sind wir noch nicht soweit wie es die deutsch-französischen Beziehungen vorgemacht hatten. Und sogar dort ist es nicht gelungen, alle Vorurteile und Missverständnisse aus der Welt zu schaffen. Wäre eine solche Situation dort überhaupt möglich? Es geht dabei nicht nur um die längere Tradition einer guten Nachbarschaftsbeziehung. Eine viel wichtigere Rolle spielen hierbei die Institutionen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die Deutschland und Frankreich im Laufe der Jahrzehnte ausgearbeitet haben.
Ein Beispiel dafür ist der Austausch der deutsch-französischen Jugend sowie die regelmäßigen Besprechungen zwischen beiden Regierungen und entsprechenden Ministerien. Deren Aktivität ist um einiges größer als in unserem Fall. Die Beziehungen wurden zusätzlich durch das im Nathan und Klett Verlag erschienene deutsch-französische Geschichtsbuch gestärkt. Es stimmt, dass das Projekt nicht ohne Hindernisse verlief und über viele Jahre hinweg entstanden ist. Jedoch die Entschlossenheit beider Verleger und Autorenteams, unterstützt von Politikern beider Länder, führte letztendlich zu einem Happy-End.
Es war nicht nur bei Frankreich so. Auch die USA, Deutschlands anderer Partner, finanziert Stipendien und Lehrstühle auf renommierten deutschen Hochschulen. Kann sich nur eine Weltmacht so etwas leisten? Das Beispiel Ungarns sollte uns besonders inspirieren. Im Zentrum Berlins ist seit ein paar Jahren ein Zentrum für ungarische Kultur tätig. Es befindet sich auf der Hinterseite der Humboldt-Universität, also an einem zentralen Punkt in Berlin. Der Institution gehören ein paar Stockwerke des Gebäudes an. Dort finden wissenschaftliche Tagungen, Versammlungen, Vernissagen, Autorenabende, Konzerte und Filmvorführungen statt. Eine gut gelegene und gut geführte Einrichtung ist in der Lage, viele Zuschauer anzulocken, was in einer Kulturstadt wie Berlin nicht so einfach ist.
Und was bietet Polen seinem deutschen Partner an? Wie ist unsere Überzeugungskraft, wenn es darum geht, andere von unserer Meinung zu überzeugen? Welches Abbild unserer Selbst propagieren wir? Wer zählt zu unseren Partnern? Es geht mir nicht darum, Institutionen oder Personen anzuklagen. Ihre Arbeit ist doch bisher sehr fruchtbar gewesen. Ich habe den Eindruck als fiele uns die Kritik sehr leicht, jedoch trägt sie nichts zu den konkreten Ideen bei. Die Zeit läuft, neue Generationen von Deutschen werden geboren, deren Sensibilität, Erwartungshaltung und Bedürfnisse ändern sich. Immer weniger Nachbarn können unsere Einstellung zur Geschichte nachvollziehen. Wie sollen wir ihnen also über unsere Vergangenheit und die schwierigen Beziehungen berichten?
Wahrhaftig bemühte man sich stets und viele dieser Bemühungen fruchteten in wichtigen Projekten wie gemeinsame Ausstellungen, Tagungen und Veröffentlichungen. Dennoch verliert die Frage nach unserem Konzept für die Nachbarschaft mit Deutschland nicht ihre Gültigkeit, auch hinsichtlich der neuen Generationen von Deutschen und Polen, die in einer Welt – trotz aller negativen Eigenschaften – jenseits der Erzfeindschaft aufwuchsen. Ein Wechsel des Paradigmas in den deutsch-polnischen Beziehungen erscheint notwendig, in erster Linie eine Überprüfung unseres geschichtlichen und kulturellen Angebots.
Selbstverständlich ist Politik nicht alles. Obwohl sich ohne sie – und was noch wichtiger ist – ohne die erforderliche finanzielle Unterstützung nichts machen lässt. Es dürfen jedoch keine weiteren Forderungen gegenüber Deutschland sein, die aus der Last der Vergangenheit resultieren. Dieses Kapitel wird gerade abgeschlossen. Das neue Kapitel muss eine aktive Geschichts- und Kulturpolitik beinhalten, die an eine richtige Finanzierung und ein konsequentes Handeln gekoppelt ist.
Ich bin gespannt, wie der am Anfang erwähnte Karikaturist die heutigen deutsch-polnischen Beziehungen darstellen würde. Vielleicht würde er, wie damals, die Brückensymbolik verwenden. Diesmal würde ich mir aber wünschen, dass der Pole der Aktivere ist, der seinem westlichen Nachbar etwas reizvolles anzubieten hat und was dieser nicht nur annimmt und akzeptiert, sondern auch zu schätzen weiß, weil er über die Sensibilität des Nachbarn Bescheid weiß. Machen wir uns aber nicht vor, dass ein weiteres historisches Museum oder Denkmal die Sache erledigt.