Konrad Adenauer und die polnischen Gefangenen im Messelager Köln-Deutz

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Die Aktivitäten der Heimatarmee (weiter AK) im Dritten Reich sind immer noch wenig bekannt1. Eines der Themen, das mich in letzter Zeit interessierte, war das Treffen von Konrad Adenauer mit polnischen Gefangenen im Messelager Köln-Deutz. Nach vielen Jahren, 1959, erinnerte der Kanzler in der Radioansprache anlässlich des 20. Jahrestages des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges an diesen Tag2. Was wissen wir darüber? Wie kamen die Polen in dieses Lager?

Aktivitäten der Heimatarmee (AK) im Dritten Reich

Die Heimatarmee war nicht nur in den von Deutschland bzw. der UdSSR besetzten polnischen Gebieten, sondern auch im Gebiet des Dritten Reiches, einschließlich des Ruhrgebiets aktiv. Mitglieder wurden aus der Mitte der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter rekrutiert, die hier festgehalten wurden und in vielen Fabriken bzw. auf dem Lande beschäftigt waren. Die Verschwörer sammelten Informationen und führten Sabotageakte durch. Die deutschen Behörden stuften die Heimarmee schnell als »definitiv gefährlich« ein.

Die Gestapo hielt die Verhaftung auf dem Kölner Bahnhof am 20. April 1944 von Edmund Uliński (alias Konrad Baumgart), eines Kuriers der Heimarmee für einen der großen Erfolge. Er wurde einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Die Gestapo fand bei ihm eine Namensliste, was fatale Folgen für die Verschwörer hatte. Nach einem kurzen Aufenthalt im Messelager Köln-Deutz am 17. September wurde Uliński ins KZ Buchenwald transportiert (er überlebte den Krieg und wanderte nach Kanada aus).

Welle von Massenverhaftungen

Die bei der Durchsuchung von Uliński gefundene Namensliste wurde verwendet, um das polnische Widerstandsnetzwerk aufzuspüren und zu zerschlagen. Die Kölner Gestapo hatte ein Sonderkommando eingerichtet. An der Spitze stand Kommissar Kurt Bethke. Die Einheit war in einem Gestapo-Gefängnis in Brauweiler stationiert.

Es folgten Massenverhaftungen. Die Gefangenen wurden beim Verhör gefoltert. Neue Namen und Adressen wurden erzwungen. Vom 20. April bis Mitte August 1944 wurden 277 polnische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene (Offiziere und Unteroffiziere) aus 60 Orten verhaftet. Sie wurden nach Brauweiler transportiert. Unter den Verhafteten waren 111 Unteroffiziere sowie sechs Frauen. Ermittler beschuldigten jeden der Untergrundaktivität, aber unter den Verhafteten gab es nicht viele aktive Mitglieder der Heimarmee.

Im August und September 1944 wurden die inhaftierten Polen in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert. Zunächst wurden sie in das Messlager in Köln-Deutz gebracht. Der ehemalige Kölner Bürgermeister Konrad Adenauer wurde damals zusammen mit polnischen Kriegsgefangenen ins Lager gebracht. Er wurde wegen einer Welle von Verhaftungen in Deutschland nach dem gescheiterten Attentat auf den Führer des Dritten Reiches am 20. Juli 1944 verhaftet (sogen. Aktion Gewitter).

K. Adenauer und polnische Gefangene in Köln-Deutz

Nach der Verhaftung von Adenauer am 22. August 1944 wurde er zunächst in das Gestapo-Gefängnis in Köln (EL-DE-Haus) gebracht. Einen Tag später wurde er ins Messelager überstellt. Die Bedingungen im Lager erlaubten es den Gefangenen, sich gegenseitig zu kontaktieren. Sie haben den Lageralltag selbst organisiert. Kapo war Eugen Zander, ein Stadtgärtner aus Köln, ein Kommunist. Seine Idee war es, einen Tanzabend zu organisieren, bei dem Gefangene ihre Volkstänze aufführten.

Der Abend endete mit einem Konzert – erinnert sich Jahre später K. Adenauer –, bei dem vor allem die Polen sich durch ausgezeichnetes Violinspiel auszeichneten (Adenauer im Dritten Reich…).

In Adenauers Rundfunkansprache am Vorabend des 20. Jahrestages des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs erinnerte er sich an seinen Aufenthalt im Messelager und an das Treffen mit den Polen:

Im Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg war ich mit polnischen Soldaten und Offizieren zusammen. Uns verband mehr als die Schicksalsgemeinschaft des Konzentrationslagers, zwischen uns entstand im Lager eine Gemeinschaft, die auf dem Fundament einer tiefen, geistigen Übereinstimmung beruhte.

Ein Kurzbericht eines polnischen Gefangenen über dieses Ereignis ist bekannt. In einem Artikel über die Untergrundsaktivitäten polnischer Kriegsgefangener während des Zweiten Weltkriegs erinnerte sich Mirosław Zawodny (Conspiratorial activity of Polish POW’s …):

Adenauer empfing eine Delegation polnischer Kriegsgefangener und wünschte ihnen eine rasche Rückkehr nach Polen. Er war beeindruckt von ihrer großen Solidarität.

Offene Fragen

Es war nicht das erste Treffen von K. Adenauer mit den Polen. In den 1920er Jahren pflegte er als Oberbürgermeister von Köln lebendige Kontakte zum polnischen Konsulat. Ist es möglich, mehr über den zukünftigen Kanzler und die polnischen Gefangenen im Kölner Lager zu erfahren? Es sind keine weiteren Gespräche bekannt, aber es könnte sie gegeben haben. Dies erfordert weitere Untersuchungen. Was wissen wir über das Sonderkommando und seinen Führer, Kommissar Bethke? Was passierte mit ihm nach dem Zweiten Weltkrieg? Wurde er wegen der Polen-Aktion vor Gericht gestellt?

Nach einigen Tagen in Köln-Deutz wurden polnische Gefangene ins KZ Buchenwald transportiert. Viele von ihnen wurden in eine unterirdische Rüstungsfabrik im Harz bei Nordhausen (KZ Mittelbau-Dora) eingesetzt. Von 277 Häftlingen wurden sieben freigelassen, 150 starben im KZ Buchenwald, in anderen Lagern oder bei den sogenannten Todesmärschen nach der Auflösung der Lager. Etwa 80 Menschen überlebten den Krieg. Das Schicksal von 50 Personen ist unbekannt.

K. Adenauer wurde nach der Flucht aus dem Krankenhaus (wo er wegen einer Herz-Schwächung gebracht worden war) am 25. September 1944 erneut von der Gestapo verhaftet und ins Gestapo-Gefängnis Brauweiler gebracht. Seine Frau Gussi Adenauer war im Frauenteil des Gefängnisses inhaftiert. Nach zwei Monaten gelang es der Familie, die Freilassung beider Ehepartner zu veranlassen.

Endnoten:

  1. In dem Standardwerk auf Deutsch über die AK von B. Chiari und J. Kochanowski kommt dieses Thema nicht vor. Vgl. Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg, hrsg. von Bernhard Chiari unter Mitarbeit von Jerzy Kochanowski, München 2003. ↩︎
  2. Diese Ansprache ist die einzige Rede Adenauer, die ohne Kürzungen und vollständig auf Polnisch gedruckt wurde. Das pikante dabei war, dass der Kanzler von zwei Okkupationen Polens gesprochen hatte, was in Polen damals ein Tabuthema war. Vgl. Krzysztof Ruchniewicz, Adenauer na ławie oskarżonych, „blogihistoria”, 8.02.2018↩︎

Verwendete Literatur:

Adenauer im Dritten Reich, bearb. von Hans Peter Mensing, Berlin 1991, S. 415.

Mirosław Wierzbicki, Mirosław Zawodny, Conspiratorial activity of Polish POW’s during WW II in the Rhine area of Germany, „The Polish American”, Vol. 6 (1987), No. 6, p. 22.

 

O autorze

Krzysztof Ruchniewicz

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  • Sehr geehrte Damen und Herren, zur selben Zeit, gemeinsam mit Konrad Adenauer, wurde auch mein Großvater Joseph Roth (30.01.1896-22.01.1945, NS-Opfer, als katholischer Märtyrer erhoben von seiner Heiligkeit Papst Johannes II) als ehemaliger Vorsitzende der Bad Godesberger Zentrumspartei und bis zu seinem Lebensende ein entsiedener Gegner der Nazis verhaftet und mit Adenauer zusamme ins Messe-Lager Deutz gesperrt. In den erhaltenen Briefen und der Aussage von Eugen Weinberg (siehe Akte Otto Gerig bei der Konrad Adenauer Stiftung) war er, Weinberg, der LAgerälteste in Deutz. Leider ist auch uns, der Familie, nicht viel erhalten geblieben. Leider wird ihm keine große Ehrung wiederfahren. Er hat zwar ein Ehrengrab und eine Straße trägt seinen Namen aber seelig wird er nie gesprochen, weil dazu die Unterstützung der Bevölkerung da sein müsste. Aber für Bonn ist er „nur” Ein Godesberger. Für Godesberg ist er aber „nur” ein Friesdorfer (Friesdorf liegt zw Bonn und Godesberg) und für die Friesdorfer ist er „nur” ein zugezogener Fremder aus Köln. In Buchenwald steht sein Lebens- und Schicksalbild stellvertretend für die politischen Häftlinge der Aktion Gewitter. Mein Vater (1932-1995) erinnerte sich in senen späteren Jahren, dass mehrere ehemalige Häftlinge (Polen und Juden) nach dem Überleben von Buchenwald sich bei meiner Großmutter (1900-1979) nach dem Befinden meines Großvaters erkundigten und traurig waren, dass mein Großvater an den Folgen einer Giftspritze aus Buchenwald zuhause ehlendig verstorben war. Ich habe nie feststellen können, wer diese so freundlichen Menschen gewesen sind, die Leidensgenossen meines Großvaters im Messelager Köln und in Buchenwald waren und diese Greuel überlebten.

  • Sehr geehrter Herr Ruchniewicz, aus den Unterlagen aus dem Archiv der „Konrad-Adenauer-Stiftung” in Sankt Augustin (bei Bonn) geht aus dem Nachlass von Otto Gerig hervor, dass zu jener Zeit, als Adenauer (zusammen mit Otto Gerig und meinem Großvater Joseph Roth verhaftet und im AEL-Lager Köln Messe interniert) der Lagerälteste Eugen Weinberg hieß. Zumindest geht dies aus Weinbergs eigene eidesstattliche Erklärung hervor. Zander ist bis zu seinem Tod nie selbst befragt worden. Mit freundlichen Grüßen, Josef Roth, Bonn

    • Die Information über Zander habe ich aus der Dokumentation über Adenauer im „Dritten Reich“ entnommen. Er wird von Adenauer bei seinen Äußerungen auf der Schallplatte beim Namen nicht erwähnt, aber der Redakteur des Bandes, Dr. Hans-Peter Mensing hat in der Fußnote 1 diesen Namen entschlüsselt. Dabei hat er sich auf seine, Zanders, Berichte über seine Funktionen im Konzentrationslager auf dem Kölner Messegelände und über seine dortigen Kontakte zu Adenauer berufen. Sie finden diese Hinweise bei Paul Weymar, Konrad Adenauer, S. 203-212, bei Rudolf Morsey, Adenauer und der Nationalsozialismus, S. 493, 803, und schließlich in den „Teegesprächen 1955–1958”, S. 297. Nun stehen wir vor einem Dilemma. Könnten Sie mir die entsprechende Passage der Quelle schicken? Gibt es Erinnerungen Ihres Großvaters an diese Zeit?

Krzysztof Ruchniewicz

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